Focus-online, 26.04.07
Provinz-Airports
contra Frankfurt & Co.
Lange waren die Drehkreuze Frankfurt und München Platzhirsche. Aber
immer mehr Regionalflughäfen machen ihnen Konkurrenz.
Von FOCUS-Online-Autor Helge Sobik
Mit dem Flughafen Frankurt-Hahn hat die Regionalisierung des
Flugverkehrs begonnen
In ein paar Wochen werden die meisten alten Schranken demontiert, die
Wachhäuschen von einst abgebaut, etliche Stacheldrahtrollen aufgewickelt
sein. Ein ehemaliger Nato-Flughafen, einst streng abgeschirmtes Gelände,
hofft demnächst auf möglichst viele Zivilisten: Ab 28. Juni wird Tuifly
einem neuen Regionalflughafen die nötige Starthilfe bescheren. Dann
sollen Tuifly-Jets vom Allgäu-Airport Memmingen unter anderem nach
Hamburg, Berlin, Palma de Mallorca, Neapel und Venedig abheben. Im
Umkreis von 90 Autominuten sieht Tui mit fünf Millionen Einwohnern
genügend Potenzial, um die Boeing-Flieger zu füllen. Glückt das
Experiment, dürfte der neue Flughafen vor allem Stuttgart und München
Konkurrenz machen. Und Urlauber aus der Umgebung sparen sich künftig
lange Anfahrten und obendrein hohe Parkgebühren. 15 Euro will Memmingen
für den Autostellplatz kassieren – für acht Tage, zehn Euro für jede
Folgewoche. Peanuts im Vergleich zu den horrenden Parktarifen der
Großflughäfen.
Ohne Billigflieger keine Regional-Airports
Regionale Airports profitieren in den letzten Jahren vom sogenannten
Punkt-zu-Punkt-Verkehr abseits der Umsteige-Drehkreuze. Starthilfe dazu
haben die Billigflieger gegeben. Die Provinzflughäfen werben mit kurzen
Wegen – und punkten beim Passagier mit niedrigen Nebenkosten. Ein
Rezept, das auch im Allgäu ziehen dürfte. Die Regionalisierung des
Flugverkehrs hat allerdings ihre natürlichen Grenzen: Es fehlt an Erfolg
versprechenden Pisten abseits der bestehenden Verkehrsflughäfen.
Es ist noch nicht lange her, da musste der Passagier zum Flughafen
kommen. Inzwischen scheint sich die Lage umgekehrt zu haben: Der
Flughafen kommt zum Passagier. Im Zuge des Billigflieger-Booms wurden
immer mehr nahezu unbekannte Pisten zu Verkehrsflughäfen.
Regionalflugplätze mutierten zu internationalen Airports – manche mit
wenigen Starts und Landungen pro Woche, andere mit immer dichterem
Flugplan und prosperierendem Geschäft. Lübeck-Blankensee zählt dazu, der
Niederrhein-Airport von
Weeze
weit vor den Toren Düsseldorfs, Altenburg bei Leipzig, das pfälzische
Zweibrücken, Karlsruhe-Baden – und allen voran der einstige
Militärfliegerhorst Hahn im Hunsrück, den Ryanair seit einigen Jahren
aller räumlichen Distanz zum Trotz erfolgreich als „Frankfurt-Hahn“
verkauft.
Gerade die kostenbewussten Iren, immer auf der Suche nach Flugfeldern
mit möglichst niedrigen Landegebühren, haben die Regionalisierung der
Airports vorangetrieben. Sobald die Piste in Lübeck erweitert werden
kann, will Ryanair auch dort deutlich wachsen. In
Weeze
will die Airline ihre Basis im Juni stark erweitern, und in Bremen, dem
vergleichsweise verschlafenen Flughafen, mit der Eröffnung der dortigen
Basis von diesem Frühjahr an ebenfalls viele neue Strecken bescheren.
Die großen Airports stehen unter Druck
Die einstigen Airport-Monopolisten sind unterdessen dabei, umzulernen.
Gerade unter den großen Flughäfen ist ein Konkurrenzkampf um Airlines,
Strecken und Passagiere entbrannt. Dabei werden die Fluggesellschaften
mit gesenkten Gebühren für die Nutzung der Airports geködert, bekommen
zum Teil „Marketing-Zuschüsse“ für neue Strecken. Unterdessen sollen
Passagiere „ihren“ Flughafen als perfekten Dienstleister erleben, als
wohl inszenierte Erlebniswelt. Das Ziel dabei: der zufriedene Kunde, der
aus drei oder vier möglichen Airports in ungefähr gleicher Entfernung
seinen Lieblingsflugplatz auswählt und zum treuen Stammkunden wird.
Nebenbei, hoffen die Airport-Manager, wird er dort möglichst viel Geld
ausgeben – in Marken-Shops, Restaurants und Cafés während der Wartezeit.
Die großen Airports erzielen mit diesem sogenannten „Non-Aviation-Geschäft“
bereits fast die Hälfte ihrer Umsätze. Deswegen plant der Flughafen
Hamburg beispielsweise für 2008 ein großes Shopping-Terminal. Und der
Flughafen Zürich gilt bereits als fünftgrößtes Einkaufszentrum der
Schweiz.
Neue Startbahnen in Planung
Dass die Großen dabei auch ihr Kerngeschäft – das Fliegen – im Auge
behalten, beweisen die internationalen Drehkreuze Frankfurt und München.
Die einfache Formel für alle, deren Infrastruktur an die
Kapazitätsgrenze stößt: Mehr Passagiere gewinnt man nur noch mit mehr
Flugverkehr. Und für mehr Flugverkehr braucht man mehr Start- und
Landebahnen. Die Nachfrage ist da – und deshalb planen München wie
Frankfurt jeweils eine weitere Startbahn inklusive der erforderlichen
Terminalerweiterungen. Die werden natürlich hell, bunt, weitläufig, sehr
serviceorientiert und voller Shopping-Möglichkeiten sein.
Genau so, wie es sich „König Passagier“ wünscht.
Besonders tief müssen dabei die Frankfurter in die Tasche greifen: Sie
lassen es sich angeblich rund 650 Millionen Euro kosten, ein Chemiewerk
umzusiedeln, das in der Einflugschneise der neuen Bahn liegt. Eröffnet
werden soll die Piste voraussichtlich 2010. Einen Nachfragemangel
interessierter Airlines aus aller Welt an den neuen Kapazitäten gibt es
nicht. Und wo es Flüge zu reizvollen Zielen gibt, ist auch der Passagier
nicht weit – nicht in Frankfurt und wahrscheinlich auch nicht in
Memmingen im Allgäu.
|