Aus den Wolken geholt

Hochbetrieb herrscht selten am Flughafen Niederrhein. Womöglich bleiben die Schalter jedoch bald für immer geschlossen. (Foto: Momsen)

Noch geht der Flugbetrieb in Weeze weiter. Doch dem Flughafen Niederhein droht das juristische K.o.

KREIS KLEVE. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster hängt wie ein Damoklesschwert über dem Flughafen Niederrhein. Doch der Betrieb geht weiter - zumindest bis das Urteil rechtskräftig ist. Deshalb hielt sich die Bestürzung bei Ryanair und Hapagfly, den einzigen Fluglinien, die Weeze im Programm haben, in Grenzen: "Vorerst wird es keine Änderungen im Ryanair-Flugplan geben", sagte eine Sprecherin des irischen Billigfliegers "Wir gehen davon aus, dass die Bezirksregierung Beschwerde einlegt."

Das war gestern jedoch noch offen. Da das OVG eine Revision ausgeschlossen hat, ist die Beschwerde dagegen die einzige Möglichkeit für die Bezirksregierung, die bestehende Genehmigung für Weeze juristisch zu retten. Solchen Beschwerden geben die Richter jedoch nur selten statt.

Eines lässt sich schon heute aus dem Urteil herauslesen: Nur mit Nachbesserungen, etwa beim Lärmschutz, ist es in Weeze nicht getan. Deshalb wird die Bezirksregierung - sollten sämtliche juristischen Schritte erfolglos bleiben - dem Flughafen Niederrhein den Betrieb untersagen müssen. Der wird sich dann wohl auf sein Nutzungsrecht berufen. Und darauf, dass es die Bezirksregierung war, die die flugrechtliche Genehmigung erteilte. Die Düsseldorfer Behörde könnte es in dem Fall beim Status Quo belassen. Mit anderen Worten: So viel Flugbetrieb wie jetzt, aber nicht mehr. Weitere Airlines würden dann dankend abwinken.

Letzter Schritt wäre dann eine komplett neue luftrechtliche Genehmigung. Die sich wiederum mit all den dazu notwendigen Verfahrenwegen - Umweltverträglichkeitsprüfung, Lärmschutzgutachten, Wirtschaftlichkeitsprüfung - über Jahre und Jahrzehnte hinziehen kann. Das wäre das Aus für den Flughafen.

Sprachlosigkeit im Kreis Kleve

Im Kreis Kleve hat das Urteil gestern überwiegend Sprachlosigkeit ausgelöst. Landrat und Flughafenaufsichtsratsmitglied Wolfgang Spreen, war nur ein einziger Satz zu entlocken: "Aufgrund der vorliegenden Informationen kann ich keine Stellungnahme abgeben. Die Urteilsbegründung muss erst abgewartet werden." Flughafen-Geschäftsführer Ludger van Bebber gibt sich - wie gewohnt - optimistisch: "Der Airport Weeze wird weiterhin erfolgreich wachsen". Sagt er. Und stützt sich darauf, dass dort 250 Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Und die ursprünglich für 2010 geplanten Passagierzahlen bereits 2005 übertroffen worden seien. Außerdem seien mit Ryanair, Hapagfly und den größten deutschen Reiseveranstaltern starke Partner an Bord geholt worden. Auch bei der Tui-Tochter Hapagfly, die Weeze ab Sommer erstmals anbietet und am Flughafen Hoffnung auf den großen Einstieg ins Chartergeschäft geweckt hat, hieß es gestern: "Im Moment müssen wir abwarten, noch ist das Urteil nicht rechtskräftig." Ein Sprecher beruhigt jedoch: Urlauber, die in einem Pauschalarrangement einen Hapagfly-Flug ab Weeze gebucht haben, müssten sich keine Sorgen machen. Wenn der Flugbetrieb eingestellt werden muss, müsse der Reiseveranstalter Alternativen anbieten.

Doch daran mag am Flughafen niemand denken. Ganz im Gegenteil: In Folge der bislang positiven Entwicklung "werden analog zu anderen Flughafenstandorten auch weitere gewerbliche Ansiedlungen erfolgen", erwartet van Bebber. Exakt dieser Punkt hat jedoch vor dem OVG eine gravierende Rolle gespielt. Denn eines der gravierenden Ziele des Flughafens - seine Wirtschaftlichkeit über ein euregionales Zentrum für Luftverkehr, Gewerbe und Logistik zu gewähleisten - wurde bisher nichts umgesetzt.

Erwin setzt auf Mönchengladbach

"Sehr überrascht" vom Urteil war Dick Klaverdijk, Bürgermeister der hollänischen Gemeinde Bergen, die ebenfalls geklagt hatte. "Es war nie unsere Absicht, den Flughafen zu blockieren. Wir haben immer betont, dass wir unseren Frieden haben, wenn einige Änderungen in der Flugnutzung erfolgen."

Für Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin ist das Urteil ein Indiz dafür, dass "es inzwischen einfacher ist, in Mönchengladbach etwas zu machen als in Weeze." Die Bezirskregierung habe "etwas um die Ohren gehauen bekommen". Für ihn ist der Flughafen Niederrhein nach wie vor ein klassischer Standort für Logistik. Und der könnte nur über Frachtflug realisiert werden.


03.01.2006 GABY BOCH THOMAS RÜNKER