Billig-Flieger vereinen Europa

Der Städtetourismus in Europa nimmt zu, Paare führen eine Wochenend-Flug-Beziehung, und Weeze registriert mehr Schüler auf Austauschreisen. Die Billigflieger beschleunigen das Zusammenwachsen Europas.

VON STEFANIE WINKELNKEMPER

Düsseldorf Roberto Zeferino (30) aus Düsseldorf verliebte sich 2000 bei einem Auslandssemester in die Neapolitanerin Silvana Alifuoco (29). Seitdem sind sie ein Paar. Silvana flog 19 Mal nach Düsseldorf und er 25 Mal nach Neapel. Billig-Flieger machten ihre Beziehung mit häufigen Besuche erst möglich. Denn: Robertos Flug Anfang 2001 kostete ihn bei „Alitalia“ noch 230 Euro, Anfang 2002 nur noch 19,90 Euro mit Hapag Lloyd Express (HLX). In der Zeit dazwischen tat sich die Preisschere zwischen neuen Billig-Linern und etablierten Fluggesellschaften auf.

Die Folge: Die Menschen fliegen immer häufiger, und die Flugbranche stellt in jedem Jahr neue Rekorde auf. Für 2006 registrierten die Lotsen der Deutschen Flugsicherung 2,98 Millionen Flüge in Deutschland - so viele wie nie zuvor. Jeder fünfte Jet flog für die so genannten „Low Cost Carrier“. Sie verbinden in Europa mittlerweile mehr als 1500 Städte.

Europas größter Billig-Flieger ist die irische Ryanair, die im Dezember den 20-millionsten Passagier in Deutschland begrüßte. Sie bewegte 2006 rund 42,5 Millionen Menschen. Unter den deutschen Gesellschaften kämpfen HLX (4,4 Millionen Gäste 2006) und ab April unter dem Namen „TUIfly“ unterwegs, die Kölner Germanwings (7,1 Millionen Passagiere), Air Berlin (15,2 Millionen Gäste) und andere Linien um die Gunst der Kunden.

Wer sind die Billig-Fliegenden? Laut einer Statistik des Flughafen Weeze machen Geschäftsleute ein Drittel der Fluggäste aus. Ein Beispiel: Jeroen Smits (30) ist Anwalt aus Amsterdam. Seine Kanzlei versetzte ihn für zwei Jahre ins Londoner Büro. Er pendelt nun zwischen den Städten und seiner Freundin in Düsseldorf. „Die günstigen Flüge haben mir die Entscheidung leicht gemacht, nach London zu gehen“, sagt er. Seine Kanzlei wiederum profitiert davon, in den Metropolen bei ihren Kunden vor Ort zu sein.

Ein weiteres Drittel der Billig-Reisenden ist unterwegs zu Familienbesuchen. Roberto Zeferino bestätigt: „Mein Vater fliegt jetzt zwei bis drei Mal im Jahr zu seiner Familie in Italien. Früher ist er jeden Sommer einmal mit dem Auto hingefahren.“

Die dritte Gruppe sind Städtetouristen, die in Metropolen wie Rom, Barcelona, London fliegen. Sie suchen nach dem kulturellen Erbe Europas. „Das bedeutet Weiterbildung und ist ein schöner Aspekt der Vielfliegerei“, sagt Bert Hallerbach, Marktforscher am Europäischen Tourismus-Institut Trier. Als negativen Beigeschmack nennt er die Scharen von Touristen, die in diesen Tagen in osteuropäische Städte wie Budapest einfallen, weil sie dort für wenig Geld viel feiern wollen. Bevorzugte Ziele wie die Stadt Prag haben darauf bereits reagiert und ihre Preise angezogen. Trotzdem bauen die Billig-Flieger ihr Netz in den neuen EU-Ländern aus.

13 Prozent wächst die Billig-Branche durchschnittlich pro Jahr. Das funktioniert nur, wenn die Europäer kürzer und dafür häufiger unterwegs sind. Denn: „Der Anteil der Reisenden in der Bevölkerung bleibt konstant bei 75 Prozent“, sagt Hallerbach. Tatsächlich geht der Trend zu mehr Kurztripps.

Holger Terhorst vom Flughafen Weeze freut sich nicht zuletzt über viele jungen Menschen an Bord. „Jugendreisen und der Schüleraustausch florieren durch die Billigen“, sagt er und hält dies für ein deutliches Zeichen dafür, dass Europa durch die Airlines zusammenrückt. Auch Roberto Zeferino und seine Freundin haben die Flieger zusammengeführt. Silvana zog vor zwei Wochen zu ihm nach Düsseldorf.

- /STEFANIE WINKELNKEMPER